1. BuzzFeed.at
  2. News
  3. Umwelt

Lobau-Autobahn: Fakten, Hintergründe und Erfolge des Monsterprojekts

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Sophie Marie Unger

Kommentare

Umweltaktivisten besetzen das Baugebiet und protestieren gegen den Bau der Lobauautobahn.
Jetzt ist es fix: Der Lobautunnel wird nicht gebaut. Die Freude bei Umweltorganisationen ist groß. © Joe Klamar/APA Pituredesk

Seit Jahren sorgte vor allem ein heimisches Verkehrsprojekt für Aufsehen: Der Bau der Lobau-Autobahn. Nun steht fest: Der Tunnel und einige Abschnitte werden nicht gebaut. Andere Projekte bleiben bestehen, welche genau erfährt ihr hier.

S1-Spange, Stadtstraße, Autobahn - Das sind die wichtigsten Begriffe

Wien – Eigentlich ist die Lobau-Autobahn nur ein umgangssprachlicher Überbegriff und beinhaltet defacto zahlreiche Straßenbauprojekte in Wien bzw. im Wiener Umfeld, die seit Jahren geplant, evaluiert und kritisch hinterfragt werden. Dazu gehören die Stadtstraße, die S1 Spange und die S1 Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat bis Süßenbrunn, die die Lobau in einem Tunnel, dem sogenannten „Lobau-Tunnel“, unterqueren hätte sollen. Insgesamt ging es um 19 Kilometer und rund zwei Milliarden Euro.

Wie hat das mit der Lobau-Autobahn überhaupt begonnen?

Ausschlaggeber für den Bau der Lobau-Autobahn waren Prognosen zum Bevölkerungswachstum. Bis 2030 werden demnach rund 110.000 zusätzliche Menschen in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt leben. Zudem sollen dort 60.000 neue Arbeitsplätze entstehen und damit die Wirtschaft ankurbeln. Eine gute Mobilität, die bis dato nicht gegeben war, wurde zur Voraussetzung für die Realisierung zahlreicher Stadtentwicklungsprojekte. 2005 war für die Wiener SPÖ aber auch für das damals blaue Verkehrsministerium klar: Es gibt keine Alternative zu einer zusätzlichen Donau-Querung. Die unterirdische Verbindung wurde abgesegnet.

Nach einigen Änderungen wurde das Vorhaben durch das Umweltverträglichkeitsprüfungs-(UVP)-Verfahren zehn Jahre später genehmigt. Dies war der offizielle Startschuss für die Planung und Umsetzung des Straßenverlaufs, des Tunnelbaus sowie die Rodung in einer Gesamtfläche von 43.193 Quadratmeter. Die Ausgangslage für einen jahrzehntelangen Diskurs ist damit ebenso perfekt.

Wo ist der Klimaschutz-Haken und wer sind die wichtigsten Akteur:innen?

Grundsätzlich klingt die oben angeführte Erläuterung schlüssig, wären da nicht ein, zwei Faktoren, auf die man eventuell doch Rücksicht nehmen sollte. Ein gutes Stichwort hierzu wäre die sich vollziehende Klimakrise. Allein die Vorstellung eines acht Kilometer langen Beton-Tunnels, welcher sich unterirdisch und rücksichtslos seinen Weg durch den geschützten Nationalpark Donau-Auen gräbt, ist für Klima-Aktivist:innen wohl mehr als angsteinflößend.

Immerhin sollte ein Blick auf die Klimabilanz reichen, um zu verstehen, dass ein weiterer motorisierter Ausbau künftig wenig Sinn hat. Denn der Verkehrssektor ist der einzige Sektor in Österreich, dessen Treibhausgas-Emissionen seit den 1990er-Jahren gewachsen sind und die Zeit dreht sich weiter. Vor 20 Jahren, als das Projekt erstmals aufkam, waren Klimaziele von relativ geringer Bedeutung, der Komfort der Bewohner:innen am Stadtrand jedoch extrem relevant. Für die Zukunft wurden die Karten aber neu gemischt. Politische Projektgegner:innen wie die Grünen und die Umweltorganisation GLOBAL 2000, Fridays for Future, Greenpeace und Extinction Rebellion zeigten immer wieder auf, welche konkrete Folgen zu erwarten sind.

Nationalpark Donau-Auen in Gefahr

Mitteleuropa sollte stolz auf die Lobau sein: denn sie ist die letzte große, zusammenhängende und ökologisch weitgehend intakte Flussau. Als Feuchtlebensraum ist sie logischerweise auf eine gute Verbindung zum Grundwasser angewiesen. Dieses befindet sich auch noch (welch Überraschung) in 60 Metern Tiefe - also genau dort wo der Lobau-Tunnel gebaut werden soll. Was passiert also, wenn plötzlich eine Beton-Röhre die Grundwasserverbindung blockiert? Laut Fridays for Future-Angaben wirkt der Tunnel dann einerseits als Stauer, was zu einem Anstieg des Grundwassers führt und die Gefahr von überfluteten Kellern erhöht. Auf der anderen Seite wird das Grundwasser aber beschnitten, wodurch Flora und Fauna in bestimmten Gegenden verdursten könnten. Von einer ausbalancierten intakten Flussau kann dann keine Rede mehr sein.

Kontaminierte Trinkwasser-Reserven

Die Lobau ist zudem eine wichtige Wiener Trinkwasserreserve. Kommt es zu Katastrophen, kann Wien schnell darauf zurückgreifen. Weil im Zweiten Weltkrieg der OMV Ölhafen, der sich in unmittelbarer Nähe zur Lobau befindet, beschädigt wurde und Öl auslief, wurde eine Beton-Dichtwand gebaut, um das Trinkwasser zu schützen. Der Tunnel soll den Grünen zufolge nun die Dichtwand durchstoßen - dicht ist sie somit nicht mehr.

Klimaziele in Österreich adé

Man muss keine Raketenwissenschaft betreiben, um zu erkennen, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen. Schon allein psychologisch lässt sich dies einfach herleiten: Wenn alles reibungslos funktioniert, keine Staus mehr vorhanden sind und andere Straßen entlastet werden (was ja das Ziel des Projekts ist) wird ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, auf fossil-betriebene Fahrzeuge zurückzugreifen, was wiederum ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bedeutet und man wieder am Anfang steht. Zudem soll die neue Autobahn laut Fridays for Future Teil des „Transeuropäischen Transportnetzwerkes“ werden. Vor allem der Schwerverkehr wird so gefördert, welcher ja bekanntlich als CO2-Schleuder gilt. In Zahlen ausgedrückt heißt das also: Durch die Lobau-Autobahn erhöhen sich die CO2-Emissionen in Wien um mehr als 100.000 Tonnen pro Jahr. Im Jahr 2030 soll Österreich aber nur rund halb so viel Treibhausgas ausstoßen wie heute. Wenn das mal keine deutliche Diskrepanz ist.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Konkrete Studien unterstützen die oben angeführten Punkte weitgehend. Hier sind die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Überblick:

Wie sah die rechtliche Grundlage aus?

Neben Politiker:innen, Umweltorganisationen und Aktivist:innen sind auch Gerichte maßgeblich in das Projekt involviert. Sechs Jahre dauerte die Aufarbeitung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), nachdem das Projekt 2005 erstmals politisch beschlossen wurde und führte in der Umweltverträglichkeitsprüfung zu einer Genehmigung. Gegen die Entscheidung wurde von Projekt-Gegner:innen Berufung eingelegt, 2018 bestätigt die Behörde das Urteil auch in zweiter Instanz.

Die Naturschutzbehörden bewilligten 2021 das Projekt in Wien und Niederösterreich, darauf folgte erneut eine Beschwerde. Im Juli legt Klima- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Straßenbauprogramm der Asfinag auf Eis. Die in Auftrag gegebene Evaluierung stellte dem Projekt ein negatives Zeugnis aus. Nun ist fix: Zumindest der Tunnel, der die Lobau unterirdisch queren sollte, wird nicht gebaut. Doch was wird gebaut?

Kein Tunnel dafür andere Projekte

Der umstrittene Lobautunnel, der als Teil der Wiener Außenring-Schnellstraße vorgesehen war, wird nicht gebaut. Das gab Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am 1. 12. 2021 bekannt. Die von ihr eingeleitete Projektevaluierung hat sich gegen einen Bau in dem Naturschutzgebiet ausgesprochen.

Kein Lobau-Tunnel: Jubel und Kritik

Umweltschutzorganisationen wie GLOBAL 2000 und Greenpeace begrüßten die Entscheidung. „Eine Absage des Lobautunnels ist die einzig richtige Entscheidung. Das Megaprojekt Lobau-Autobahn gefährdet einen unersetzlichen Lebensraum, schädigt das Klima und droht eine Verkehrslawine auszulösen“, so Klima- und Verkehrsexpertin bei Greenpeace Klara Maria Schenk.

Kritische Stimmen kamen von politischen Akteur:innen. Die FPÖ kritisierte das Ende des geplanten Baus. „Die kolportierte Rumpfvariante ohne Lobautunnel und Lückenschluss zwischen Groß Enzersdorf und Schwechat würde die tägliche Stauhölle für 200.000 Menschen im 22. Bezirk auf viele Jahre festschreiben, aber durch die fehlende Entlastung für A22 und A23 auch massive Schäden für die Wiener Wirtschaft nach sich ziehen“, warnte Verkehrssprecher Toni Mahdalik.

Auch die Wiener ÖVP – und hier vor allem der Wirtschaftsflügel rund um WK-Chef Walter Ruck – ist verärgert und kündigte bereits Klagen an. Sie hatte bis zuletzt um ein Ja zum Lobautunnel gekämpft. Ähnlich verhält es sich mit Wiens Bürgermeister Ludwig und der SPÖ. Bereits im Vorfeld wurde ebenfalls mit Klagen gedroht. Dass Gewessler erlaubt, dass die Stadtstraße gebaut wird, beruhigt ihn mäßig.

Auch interessant

Kommentare