Waldbrandgefahr in Österreich: Wir haben mit einem Feuerökologen gesprochen

Etwa 200 Waldbrände gibt es in Österreich pro Jahr. Auslöser ist fast immer menschliches Fehlverhalten.
Die Bilder gingen letzten Sommer um die Welt: Brennende Strände, tausende Menschen, die aus den Flammen flüchten. In der Türkei, Spanien, aber auch Italien und Griechenland waren 2021 erschreckend viele Gebiete betroffen. Durch den Klimawandel wütet das Feuer intensiver und richtet immer größere Schäden an. Dabei ist der Auslöser zumeist der Mensch - weltweit gehen rund 95 Prozent aller Brände auf ihn zurück. Gerade in Südeuropa wird zudem oft Brandstiftung vermutet.
In Österreich sind es hingegen „nur“ 83 Prozent der Brände, die der Mensch zu verantworten hat, beispielsweise durch weggeworfene Zigaretten oder Lagerfeuer. Aber auch gerissene Stromleitungen, Funkenflug bei Zügen oder Blitzschläge sind Auslöser. Wie wird sich die Waldbrandgefahr in Österreich entwickeln und was können wir selbst tun, um Waldbrände zu verhindern? BuzzFeed Austria hat mit dem Feuerökologen und Waldbrandexperten Mortimer Müller von der Wiener Universität für Bodenkultur gesprochen.
Herr Müller, was macht man eigentlich als Feuerökologe?
Wie der Name schon andeutet, hat man sehr viel mit Feuer zu tun. Man verbringt viel Zeit draußen im Gelände, was mir persönlich sehr gut gefällt, weil sich Brände natürlich im Wald abspielen. Es hängt aber auch davon ab, welchen Forschungsschwerpunkt man sich setzt. Ich persönlich beschäftige mich viel mit Brandflächen, also wo hat‘s gebrannt, was hat dort gebrannt, wie intensiv war das Feuer, wo ist es ausgebrochen, was kann die Ursache dafür gewesen sein, und so weiter.
Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Wir machen Erhebungen auf der Brandfläche, zum Beispiel mit Drohnen, und begutachten die Schäden. Ich spreche aber auch vor Ort mit den Forstbehörden und Feuerwehrvertretern. Wir verzeichnen die Brände dann an der BOKU in der österreichischen Waldbrand-Datenbank, wo ich Hauptbetreuer bin. Einerseits beschäftigen wir uns mit der Arbeit nach dem Brand, also zum Beispiel mit dem Monitoring von Flächen. Andererseits kooperieren wir mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Tourismus und anderen Behörden, und arbeiten Präventionsmaßnahmen aus, um verheerende Waldbrände zu verhindern.
Was kann man tun, um sogenannte „Extrembrände“ zu verhindern?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Langfristig gesehen eignet sich der Waldumbau, wenn man zum Beispiel einen großen Kiefernbestand hat. Kiefern brennen sehr gut und sehr leicht, man kann also versuchen, mehr Eichen einzubringen. Diese sind feuerresistenter und kommen gut mit Trockenheit klar. Außerdem ist es wichtig, mehr Bewusstsein für Waldbrandgefahr in der Bevölkerung zu schaffen. Der Wanderer, der seine Zigarette raucht und sie dann ins Unterholz schmeißt, kommt in Österreich leider noch immer vor.
Was versteht man unter „kontrolliertem Abbrennen“?
Das wird in anderen Ländern häufig praktiziert, zum Beispiel in Südeuropa. Man löst bewusst einen Waldbrand unter kontrollierten Bedingungen aus. Ziel ist es, das trockene Brennmaterial, das am Boden liegt, abzubrennen, also trockenes Gras, Nadeln oder kleine Büsche. Die Bäume werden dabei nicht geschädigt. Wenn dann extreme Wetterbedingungen vorherrschen, wie Hitze, Trockenheit und starker Wind und ein Waldbrand auftritt, artet dieser im besten Fall nicht aus, weil kein Brennmaterial am Boden mehr vorhanden ist.
Was können wir alle tun, um Waldbrände zu verhindern?
Es gibt eine ganz simple Regel: Kein Feuer im Wald. Kein Rauchen, kein Lagerfeuer, keine Raketen, und so weiter. Der Mythos, dass Glasflaschen Waldbrände auslösen können, hält sich zwar hartnäckig, ist aber von der Forschung widerlegt. Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, bis dato wurde kein solcher Brandauslöser bestätigt. Was allerdings schon zu einem Brand führen kann, ist zum Beispiel der Katalysator von einem Auto, wenn es auf trockenem Gras steht. In einem Fall wurde in Österreich sogar ein Brand durch die heißen Bremsen eines Mountainbikes ausgelöst. Der Radfahrer hat sein Rad nach dem Downhill-Biken ins trockene Gras fallen lassen, wo die aufgehitzten Bremsklötze dann einen Brand ausgelöst haben.
Sind wir in Österreich waldbrandgefährdet?
Ja. Man muss natürlich differenzieren. Solche extremen Brände wie in Kalifornien oder Australien wird’s bei uns nicht geben, allein schon wegen der Bedingungen, die Vegetation und Bewirtschaftung ist eine ganz andere. Mit ziemlicher Sicherheit werden die Brände allerdings auch in Österreich in den nächsten Jahrzehnten intensiver werden. Das muss nicht unbedingt heißen, dass es mehr Brände gibt, sondern dass die, die es gibt, potenziell gefährlicher werden, weil sie sich schneller ausbreiten.
Welche Flächen sind besonders gefährdet?
Man spricht von „Wildland and urban interface“, also jenen Bereichen, wo Vegetation mit Siedlungsraum verzahnt ist. Zum Beispiel dort, wo ein Wald und eine Ortschaft aufeinander treffen, oder Häuser, die direkt im Wald stehen. Dort ist nicht unbedingt das Risiko größer, dass ein Waldbrand auftritt, sondern dass Gebäude zerstört werden, Menschenleben gefährdet werden Das wird auch bei uns eine immer wichtigere Problemzone. Dort kann man zum Beispiel Sicherheitszonen schaffen, also „Pufferzonen“ zwischen Gebäuden und Wäldern. Auch sollte man darauf achten, eine Wasserversorgungsstelle in der Nähe zu haben und Eichen oder Buchen vor Kiefern bevorzugen.
Gibt es in Österreich „Hot Spots“ für Waldbrände?
Eine Waldbrandrisikokarte auf Bezirksebene haben wir bereits erstellt, derzeit arbeiten wir an einer weiteren auf Gemeindeebene. Ganz grob kann man sagen, dass zu den Waldbrand-Hotspots in Österreich das südliche Niederösterreich, einige Gebiete in Kärnten wie um Villach herum, Teile der Steiermark und Teile Tirols gehören. Rund drei Viertel aller der Waldbrände in Österreich passieren in diesen Gebieten.
Hier erfährst du nochmal zusätzlich, was du gegen die steigende Waldbrandgefahr tun kannst.