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Der Kronzeugenstatus so einfach erklärt, wie nur möglich

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Von: Johannes Pressler, Christian Kisler, Helena Dimmel

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Thomas Schmid beim Interview.
Thomas Schmid war ÖBAG-Chef und Generalsekretär im ÖVP-Finanzministerium. Jetzt hat er gegenüber der WKStA ausgepackt. © Trend Wolfgang Wolak/Verlagsgruppe News/APA-PictureDesk

Thomas Schmid belastet seine ehemaligen Wegbegleiter, darunter Sebastian Kurz. Dafür erhofft sich Schmid den Kronzeugenstatus. Doch was ist das überhaupt?

Es knirscht im Gebälk der ÖVP. Thomas Schmid, ehemaliger Vertrauter von Sebastian Kurz, belastet den Ex-Kanzler schwer. Aber auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Klub-Chef August Wöginger, Investor René Benko und andere bringt Schmid unter Druck. Kurz selbst hat sich auf Facebook unbeeindruckt von Schmids Anschuldigungen gezeigt. Sein Anwalt Werner Suppan hat den Behörden noch am Mittwoch, dem 19. Oktober, einen Telefonmitschnitt übergeben, der Schmids Aussagen widerlegen soll. Sowohl Kurz als auch Sobotka wollen Schmid nun klagen. Es bleibt also spannend.

Aber was bedeutet eigentlich diese Kronzeugenregelung? Dazu hat BuzzFeed Austria mit Professor Nikolaus Dimmel vom Fachbereich für Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts an der Universität Salzburg gesprochen. Dimmel ist dort Experte für Rechtspolitologie.

Wie seit Dienstag (18. Oktober) bekannt ist, hat Thomas Schmid den Kronzeugenstatus beantragt. Was erhofft sich Schmid dadurch?

Dass er straffrei geht beziehungsweise eine Strafe durch eine Geldbuße oder gemeinnützige Arbeitsleistungen ersetzt wird. Die Regelung ist in § 41a StGB und § 209a StPO verankert. § 41 a StGB setzt voraus, dass einerseits der Täter einer strafbaren Handlung einer Strafverfolgungsbehörde sein Wissen über die damit in Verbindung stehenden Tatsachen offenlegt. Andererseits dass diese Offenlegung wesentlich dazu beiträgt, die aus dem tatbildlichen Handeln entstandene Gefahr zu beseitigen oder erheblich zu vermindern und die strafbare Handlung aufzuklären.

Strafmildernde Umstände, bspw. eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit, gelten unter folgenden Umständen für den Angeklagten: wenn er freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei herantritt oder ein reumütiges Geständnis über seinen Tatbeitrag ablegt und sein Wissen über neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt. Außerdem, wenn die umfassende Aufklärung einer Straftat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Vereinigung oder Organisation führend tätig war. Nur so weit der Täter wegen seiner Kenntnisse über diese Taten noch nicht als Beschuldigter vernommen und wegen dieser Taten kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde, hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat dieser Person vorläufig zurückzutreten.   

Kann jede Person, gegen die ermittelt wird, den Kronzeugenstatus ansuchen oder braucht es dafür bestimmte Voraussetzungen? 

Die Voraussetzung für den Kronzeugenstatus ist, dass eine Person unmittelbar nach der Straftat, jedenfalls bevor gegen sie ermittelt wird, von sich aus freiwillig auf die Staatsanwaltschaft zugeht und einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Straftat leistet. Dies ist im Falle Schmid nicht passiert, vielmehr wurde bereits gegen ihn ermittelt und er hat sich der Einvernahme durch Verlegung seines Wohnsitzes in die Niederlande entzogen. Daher wäre es strafrechtlich gesehen eigentlich unmöglich, dass er Kronzeuge wird. Man kann diesen Status nicht zwei Jahre später, nachdem schon gegen einen ermittelt wird, ansuchen. Konkret bedeutet der Kronzeugenstatus, dass die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen der erwähnten Voraussetzungen das Ermittlungsverfahren einstellen kann - einen Anspruch darauf gibt es also nicht.

Der Kronzeugenstatus wird also nicht einfach so alle paar Tage gewährt, sondern dazu kommt es nur selten, richtig?

Die 2011 eingeführte, und 2016 bereits erstmals verlängerte „große Kronzeugenregelung“ wurde bis 2021 bereits 15 Mal eingesetzt. 

Die Entscheidung über den Kronzeugenstatus trifft die Staatsanwaltschaft. Sind mit dem Ansuchen auch bestimmte Risiken für Schmid verbunden?

Das Risiko für Schmid besteht darin, dass er unter Umständen Informationen an die Staatsanwaltschaft übermittelt, die dann im Verfahren gegen ihn verwendet werden, sollte der Kronzeugenstatus nicht gewährt werden.

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung - zumindest vor Gericht. Social Media ist hingegen weniger geduldig, wie diese 14 bitterbösen Tweets über Thomas Schmid, Sebastian Kurz und die ÖVP zeigen.

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