Zugbegleiterin über Bahn-Verspätungen: „Dann kotzt mich das richtig an“
Erneut verhandelt die Gewerkschaft EVG mit der Deutschen Bahn über mehr Lohn. Eine Bahn-Angestellte verrät ihre Sicht der Dinge.
Im Tarifkonflikt der Deutschen Bahn (DB) geht es seit Dienstag, 23. Mai 2023, in Fulda in die nächste Verhandlungsrunde. Drei Tage lang bis einschließlich Donnerstag sprechen der Konzern und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dort über höhere Tarife für rund 180.000 Konzernbeschäftigte. Sollten sie weiterhin keine Lösung finden, drohen erneute Warnstreiks oder gar eine Urabstimmung der EVG über unbefristete Streiks. Doch was denkt eigentlich eine Zugbegleiterin über dieses Thema?
Zugbegleiterin über ihr Gehalt: „Als Single-Haushalt reicht das vollkommen“
„Wir haben eine E-Mail bekommen, dass auf jeden Fall noch ein Streik kommen wird, aber man weiß noch nicht wann“, sagt die 22-jährige Sarah* zu BuzzFeed News Deutschland. Sie arbeitet im Fernverkehr der Deutschen Bahn und betreibt den Instagram-Account @zubmemes. Schon am 13. Mai hatte sie ihren Ärger darüber geteilt, dass der groß angekündigte Warnstreik doch nicht stattfand. (Hier siehst du übrigens 5 Memes, die zeigen, wie sich Zugbegleiter:innen beim Streik wirklich fühlen).
„Dass der Streik abgesagt wurde, hat uns das Gefühl gegeben, dass die EVG den Schwanz einzieht und der Bahn mehr entgegenkommt als das, was man versprochen hat“, sagt uns die Zugbegleiterin aus Süddeutschland im Gespräch. Außerdem seien die Züge am Samstag und Sonntag vor dem angekündigten Streik „brechend voll“ gewesen, weil alle ihre Reisen schon im Vorfeld verschoben hatten.
Aber braucht Sarah* überhaupt eine Gehaltserhöhung von 650 Euro im Monat, wie sie die EVG fordert? Sarah* überlegt. „Das würde mich schon sehr, sehr freuen“, sagt sie. Trotzdem ist sie der Meinung, dass sie als Zugbegleiter:in Vollzeit nicht schlecht verdiene. „Als Single-Haushalt reicht das vollkommen. Durch Zulagen für Nachtschichten und Wochenend-Schichten komme ich teilweise auf 2.300 Euro netto.“ Wer jedoch ein Kind hat oder eine Familie habe, für den sei so eine Gehaltserhöhung weit wichtiger. „Gerade, weil man in dem Job ja auch oft kein Privatleben hat.“

*Den Namen haben wir aus Gründen der Anonymität geändert.
Mehr zum Thema: Ständig nur noch Streik? Das Gefühl täuscht, sagt Expertin.
Warnstreik „in Deutschland ist noch Pipifax“
Wir fragen sie, ob sie den Ärger vieler Menschen beim Thema Bahn-Streik verstehen kann. Unser Autor findet beispielsweise, man kann das neue Tarifangebot gar nicht ausschlagen. „Klar kann ich das nachvollziehen“, sagt Sarah*. Aber die Menschen verwechselten oft, dass ja gar nicht die Bahn streike, sondern die Gewerkschaften.
„Der ganze Hass für Streiks, den bekommen immer die Bahn und das Bahnpersonal ab. Dabei sind ja nicht alle von uns in einer Gewerkschaft.“ Und die Arbeitnehmer:innen, die in einer Gewerkschaft sind, hätten nun mal das Recht, zu streiken. „In Frankreich haben die für Wochen alles lahmgelegt. Dagegen ist es in Deutschland noch Pipifax.“
Auch sie sei von Streiks in gewisser Weise betroffen. „Wenn gestreikt wird, muss ich trotzdem zur Dienststelle, es sei denn, ich habe frei. Weil ich ein bisschen weiter außerhalb wohne, ist das echt blöd, denn ich habe kein Auto. Und wenn die Bahn streikt – dann komme auch ich nicht zur Arbeit“, erzählt Sarah*. Sie findet, es braucht bei jedem Streik Notfallfahrpläne. „Gerade für Menschen, die auf die Bahn angewiesen sind.“
Wie Sarah* wohnen auch diese sieben Dorfkinder außerhalb – sie zeigen, was sie ohne Auto erreichen können (fast nichts)
Zugbegleiterin über Verspätungen: „Kotzt mich auch richtig an“
Auch bei Verspätungen, die ja nicht nur an Streiktagen auftreten (laut Sarah* gibt es hunderte Gründe, warum Züge verspätet sein können) hat die Zugbegleiter:in „gemischte Gefühle“. „Wenn Verspätungen mitten in der Schicht passieren, sind sie mir egal. Aber wenn es meinen Feierabendzug betrifft, dann kotzt mich das auch richtig an.“
Da könne es nämlich passieren, dass der Übergang zur nächsten Schicht nicht passe oder man seine Pause nicht einhalten könne. „Wenn ich Verspätungen will, weil ich dann Überstunden machen kann, dann bleiben sie aus. Wenn ich sie gerade gar nicht brauchen kann, dann kommen sie mit Sicherheit.“
Aber warum ist die Deutsche Bahn so oft verspätet? „Weil wir uns die Gleise im Fernverkehr mit dem Nah-, Regional- und Güterverkehr teilen“, so Sarah. „Da löst jeder Güterzug, der liegenbleibt, eine Kettenreaktion an Verspätungen aus.“ Deshalb werde sich der Fernverkehr in Deutschland wohl in Sachen Pünktlichkeit nie mit Ländern wie Japan oder China messen können. „Das Schienennetz in Deutschland ist einfach zu veraltet und der Staat steckt viel zu wenig Geld rein – gerade im Vergleich mit der Autoindustrie.“
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(Mit Material der dpa)